Babyboomer-Generation: von wegen altes Eisen!
Ich gehöre zur Babyboomer-Generation: Wir sind gut ausgebildet, haben den Übergang in das digitale Zeitalter mitgestaltet und sind aktiv in Gesellschaft und Arbeitsleben. Nicht umsonst heißt es: „Die 60 ist die neue 40“. Viele von uns haben noch 10 oder 15 Jahre Berufsleben vor sich. Manche wollen gern – eventuell sogar noch länger – arbeiten, andere müssen es: Wie wollen wir diese Zeit verbringen?
Gerade Frauen über 50 denken jetzt verstärkt darüber nach, sich neu zu orientieren – zumal so einige von ihnen feststellen, dass ihr berufliches Engagement nicht im Verhältnis zum Erreichten steht
Für mich wurde mit über 50 aus unterschiedlichen Gründen klar, dass ich noch etwas anderes wollte als mein bisheriges Berufsleben im Konzern. Und so ich startete ich mit Mitte 50 meine zweite Karriere und lebe jetzt genau das Leben, dass ich leben möchte. Wie ist es dazu gekommen?
Mosaik-Karriere im Konzern: Markt der Möglichkeiten
Nach zwei Berufsausbildungen und einem Studium startete ich Ende der 80er Jahre bei einer großen Organisation. Diese entwickelte sich in den 90er Jahren rasant zu einem globalen Konzern und börsennotierten Unternehmen. Ich mittendrin im Headquarter, organisierte und führte bundesweite Roadshows zu brandneuen Themen wie Mitarbeiter-Beteiligungs-programmen und moderierte konzernweite Business-TV-Sendungen: was für außer-gewöhnliche Zeiten!
Aufregend blieb es auch in den folgenden Jahrzehnten: Denn, auch wie bei anderen großen Unternehmen wurde der Wandel zur Regel – mit allen damit verbundenen Chancen und Risiken. Ein Konzern dieser Größe ist ein Markt der Möglichkeiten: Mir war wichtig, so viel wie möglich über das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Konzernbereiche zu lernen: Ich arbeitete als Personalleiterin, Leiterin eines Expertenbüros der Führungs-akademie, im internationalen Marketing, dem Vertrieb, strategischen Einheiten, in der Geschäftsentwicklung, usw. Ich wechselte zwischen Führungs- und Expertenrollen, zwischen verschiedenen Sparten und Aufgaben, machte nach heutigem Verständnis eine „Mosaik-Karriere“.
„Senior Workforce“: mit über 50 im Konzern
Nach Jahren des Aufbaus wurde deutlich, dass der Konzern sich „verjüngen“ wollte. Wo früher jede Umorganisation eher eine Chance bedeutete, wurden mir und vielen anderen Babyboomern die Risiken, künftig in einer weniger attraktiven Weise als bisher eingesetzt zu werden, immer bewusster.
Trotz hoher geistiger Leistungsfähigkeit, fundiertem Erfahrungswissen und hoher Problemlösungs-Kompetenz wurden wir nicht mehr als Zukunftspotenzial für das Unternehmen gesehen
Ich konnte mir nur schwer vorstellen, unter diesen Umständen noch weitere 12 Jahre bis zum Ruhestand so weiter zu machen.
Seit Jahrzehnten beriet ich bereits Frauen im Konzern auf ihren Karrierewegen und hatte mehrere Coaching-Ausbildungen absolviert. Zudem begleitete ich mittlerweile auch nebenberuflich außerhalb des Unternehmens Frauen bei ihren Karrieren. Dies ermutigte mich dazu, mich ganz der Aufgabe zu widmen, für die ich brenne: Meine Zeit und Energie dafür einzusetzen, dass Frauen ihre Karriereziele erreichen und meine Mitarbeit an der Umsetzung der umfassenden Diversity-Ziele in unserer Gesellschaft.
„Ich bin dann mal woanders…“
Mit 55 nutzte ich ein Konzernprogramm und verließ das Unternehmen. In den ersten Monaten fiel mir der Abschied von meiner fast 30-jährigen „Konzernidentität“ nicht nur leicht. Ich vermisste Kolleg*innen, die gewohnten Strukturen und mir wurde bewusst, wie viel von meiner beruflichen Identität durch den Rahmen des Konzerns geprägt worden war. Da war erst mal ein gefühltes Vakuum, und es dauerte einige Zeit, meine eigene Unternehmerinnen-Identität zu entwickeln. Aber gerade dieser Prozess hilft mir heute, Frauen verständnisvoll und ermutigend durch ihre Veränderungsprozesse bei ihren beruflichen Ein-, Aus- oder Umstiegen zu begleiten.
Dabei spielen die aktuellen Entwicklungen den Frauen in die Karten:
Game-Changer Diversity: Time for best Age Female Talents!
In den frühen 2000ern wurde zum ersten Mal über eine Frauenquote für Führungs-positionen öffentlich diskutiert – ich war begeistert! Mein Arbeitgeber war „Trendsetter“ bei dieser Entwicklung. Zu meinem großen Bedauern blieben allerdings deutlich sichtbare positive Veränderungen hinsichtlich des Abbaus struktureller Karrierehindernisse für Frauen sehr übersichtlich – mit den entsprechenden Auswirkungen auf Frauenkarrieren. Das beobachtete ich in allen Organisationen, ob Wirtschaft oder öffentliche Hand.
Ich sah zwar, dass viele Frauen auf unterschiedlichen Ebenen als Managerinnen, Führungskräfte und Expertinnen durchaus erfolgreich waren. Allerdings häufig von der Position her nicht so erfolgreich, wie sie es aufgrund ihrer Fähigkeiten, Ambitionen und der Opfer, die sie für ihre Karriere erbracht hatten, hätten sein müssen. Ihr persönliche Invest stand in keinem Verhältnis zum erreichten Erfolg: Viele von Ihnen stießen an die gläserne Decke, wurden begrenzt statt gefördert.
Mit der Folge, dass rund ein Drittel dieser Frauen inzwischen eine berufliche Veränderung in eine Arbeit anstrebt, die ihnen mehr Sinn im Tun verspricht, zum Beispiel in einer Selbständigkeit oder bei einer Non-Profit-Organisation.
Diese Entwicklung wird treffend beschrieben in einer Studie des European Women’s Management Development International Network“ (EWMD) über „Managerinnen 50plus“.
Dieses Ungleichgewicht und diese Ungerechtigkeit machten mich nicht nur wütend, sondern auch fassungslos. Dies war der Auslöser dafür, dass ich immer deutlicher spürte: DAS ist mein Thema! Ich will dazu beitragen, dass sich hier etwas verändert!
Jetzt haben wir endlich eine immer lebendigere gesellschaftliche Diversity-Diskussion. Durch verschiedenste Studien und Analysen wird immer deutlicher, welchen handfesten Wettbewerbsvorteil gelebte Vielfalt in Unternehmen hat. Divers denken heißt auch multigenerational denken – und: Implizites Erfahrungswissen lässt sich nicht transferieren, es lebt in und von der Anwendung.
Die Zeiten waren also noch nie so günstig für ambitionierte Frauen 50plus, sich neue Chancen zu schaffen und zu nutzen, denn bei diesen Frauen treffen gleich zwei Diversity-Aspekte zusammen: #femaletalent mit #bestage.
Diese sehr erfahrenen weiblichen Fach- und Führungskräfte über 50 haben bereits viele Umstrukturierungen erlebt und mitgestaltet und sind damit bestens aufgestellt für die vielfältigen Herausforderungen unserer bewegten Zeit. Sie bewerten und entscheiden auf Basis ihres komplexen Erfahrungshorizonts, wägen mehr ab: „Überhaupt ist man sich in Managementberaterkreisen einig: Frauen haben einen Führungsstil, der den Anforderungen moderner Unternehmen näherkommt als der der Männer. Sie gelten als kooperativer und kompromissbereiter und gleichzeitig als weniger risikoaffin“, so managerSeminare, Heft 258, Seite 27, 2019.
Und es gibt viele Möglichkeiten für eine Frau 50plus, ihre Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen und ihren beruflichen Neubeginn zu starten:
Die besten Karrierehacks für einen Neustart 50plus
1. Du willst eine Veränderung, aber dir ist noch nicht klar, wohin deine Reise gehen könnte? Dann stell dir die Fragen: Was ist mir wichtig? Was will ich auf keinen Fall (mehr)? In welchem Umfeld will ich arbeiten? Muss ich noch Geld verdienen, oder kann ich mich einem Ehrenamt widmen? Will ich noch eine Top-Karriere machen, oder wie eine Bekannte von mir, die – promovierte Astrophysikerin aus einem Konzern – mit fast 50 und großer Freude eine Bäckerlehre startete – und mittlerweile erfolgreich abschloss?
2. Du willst in deinem Unternehmen bleiben und noch mal richtig durchstarten? Dann such dir dein Ziel, Verbündete, entwickele eine neue Karrierestrategie und zieh es durch! Das kann auch bedeuten, dass du einen Bedarf für ein spannendes und wichtiges Aufgabenfeld siehst, dass noch nicht besetzt ist. Dann zieh‘ die Strippen, schaff‘ den Posten und schnapp ihn dir!
3. Du willst auf eine C-Level-Position in deinem Großunternehmen? Du siehst aber, dass dieses Vorhaben dort zur Zeit nur schwer realisierbar ist? Dann mache es wie eine Klientin von mir, die mit 56 Jahren in ein mittelständisches Unternehmen wechselte, mit Produkten und einem Umfeld, die ihren Werten entsprechen. Und ja, C-Level-Positionen werden nur ca. 20% öffentlich ausgeschrieben. Aber mit einer ausgefuchsten Strategie, um den verdeckten Arbeitsmarkt aufzurollen und sich bestmöglich zu platzieren, gelingt auch das!
4. Du willst künftig in einem Gremium arbeiten? Das können Non-Profit Organisationen wie Stiftungen sein oder auch die Übernahme von Aufsichtsratsmandaten. Die Zeit und damit die Chancen für Frauen, sich hier erfolgreich zu positionieren waren noch nie so gut!
5. Du willst dein eigenes Business aufbauen? Du hast bereits eine gute Geschäftsidee oder willst diese noch finden? Du machst dir Gedanken, ob du genug Rücklagen hast oder deine Idee wirklich die richtige ist? Vielleicht startest du dann auch erst nebenberuflich, so wie ich zu Beginn und schaffst dir so einen sanften Übergang?
6. Um deine Ziele souverän zu erreichen, brauchst du exzellente Karriere-Strategien:
- deine passende Positionierungsstrategie für deinen beruflichen Neustart entwerfen
- deine umfassende schriftlichen Selbstdarstellung: „Sales Pitch“ neu gestalten
- dein aussagekräftiges 360 Grad-Kompetenzprofil entwickeln
- deine authentische Personal Image- und Selbstvermarktungsstrategie planen
- dein wirkungsvolles Beziehungsmanagement aufbauen!
Wichtig ist, den ersten Schritt zu tun:
„Du bringst alles mit, was du für deine zweite Karriere brauchst. Also mach dich auf den Weg: Es ist deine Zeit zum Kürlaufen mit deinem Neubeginn!